"Prävention und Gesundheitsförderung in der Kita" Autoren Klaus Fröhlich-Gildhoff und Susanne Viernickel

Tauchen Sie ein in unseren Leitartikel, der sich mit dem Thema "Prävention und Gesundheitsförderung in der Kita" befasst. Erfahren Sie mehr über die Notwendigkeiten, Möglichkeiten, Mittel und Wege in der frühkindlichen Erziehung, präsentiert von den renommierten Autoren Klaus Fröhlich-Gildhoff vom Zentrum für Kinder- und Jugendforschung in Freiburg und Susanne Viernickel von der Universität Leipzig. Lassen Sie sich von ihren Erkenntnissen und Empfehlungen inspirieren und entdecken Sie neue Wege zur Förderung der Gesundheit und Prävention bereits im frühen Kindesalter. Ein Muss für alle, die sich für dieses wichtige Thema interessieren!

Die Themen Gesundheit und Gesundheitsförderung haben in Kindertageseinrichtungen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zum einen besuchen mittlerweile nahezu 95 Prozent aller Kinder die Kita. Dies bedeutet, dass ein Großteil von Kindern – und ihre Familien! – potenziell durch gezielte Angebote zur Gesundheitsförderung in einem relativ frühen Alter erreicht werden können. Zudem können Kindertageseinrichtungen auch Zugang zu Bevölkerungsgruppen bieten, die sonst nur zu einem geringen Prozentsatz durch Angebote der (Eltern)Bildung oder der Gesundheitsförderung ansprechbar sind (vgl. Kliche et al., 2008). Zum anderen ist das Setting Kita mit der Formulierung des Entwicklungsziels "gesund aufwachsen" des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG, 2010) und der Verabschiedung des Präventionsgesetzes klar(er) in den Fokus von Konzepten und Maßnahmen der Gesundheitsförderung gerückt.

Dabei wird "Gesundheit" nicht, wie lange üblich, nur mit den Themen gesunder Ernährung und adäquater Bewegung konnotiert. Die seelische Gesundheit, operationalisiert über das Konstrukt der "Lebenskompetenzen" (WHO, 1997) oder der "Resilienz" (beispielsweise Rönnau-Böse, 2013), wird als dritter Schwerpunkt der Gesundheitsförderung betrachtet. Geene, Kliche und Borkowski (2015, S. 26 f.) fassen verschiedene Studienergebnisse zusammen, die direkte Gesundheitseffekte von Kitas nachweisen: Der Kita-Besuch verringert signifikant das Risiko von Entwicklungsverzögerungen bei Kindern (Caniato, Alvaranga, Stich, Jansen & Baune, 2010); führt zu einem späteren und selteneren Einstieg in Nikotinkonsum (D‘Onise, Mc- Dermott & Lynch, 2010); reduziert gesundheitliche Risikofaktoren und Risikoverhalten (Nores, 2010) und geht mit geringerer Prävalenz motorischer, kognitiver und psychosozialer Einschränkungen einher (Caniato et al., 2010). Ein indirekter Effekt des regelhaften Kitabesuchs ist ein potenziell erhöhter Bildungserfolg, "weil Bildung eines der wichtigsten Korrelate von Gesundheitswissen, -verhalten und -status sowie angemessene Nutzung des Gesundheitswesens über die Lebensspanne darstellt" (Geene et al., 2015, S. 27; s. a. die Meta-Analysen von Lewis & Vosburgh, 1988; Fusaro, 1997).

Damit sich die Kindertageseinrichtung zur gesundheitsförderlichen Institution entwickeln kann, sind wichtige Aspekte zu beachten (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2018). So sollte die bisherige Praxis, direkte Aktivitäten im Rahmen der Gesundheitsförderung hauptsächlich an die Kinder und weniger an die Eltern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu richten und den Stadtteil / die Umgebung kaum einzubeziehen (Kliche et al., 2008, S. 199), im Sinne des Setting-Ansatzes (Hartung & Rosenbrock, 2015) dahingehend verändert werden, alle Ebenen einzubeziehen und nicht nur isolierte Programme umzusetzen. Gerade in Quartieren mit besonderen sozialen Belastungen – wie beispielsweise einer hohen Anzahl armutsbedrohter Familien – müsste die zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung eine besondere Bedeutung haben. Eine solche spezifische Fokussierung ist allerdings trotz mehrerer Anstrengungen (beispielsweise "Eltern-AG", Armbruster & Thiemann, 2013) bisher nur selten – und nicht in der Breite – gelungen (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2012). Eine wichtige Rolle bei den Aktivitäten spielen die Rahmenbedingungen, vor allem das Ausmaß der zur Verfügung stehenden Zeit für "mittelbare pädagogische Arbeit" (Viernickel & Schwarz, 2009), also der Vor- und Nachbereitungszeit, der Zeit für Team- und Elterngespräche etc. Hierfür müssen Kapazitäten vorhanden sein, ansonsten haben Maßnahmen der Gesundheitsförderung bestenfalls kurzfristigen Projektcharakter und führen teilweise zu zusätzlichen Belastungen der Fachkräfte. Vor dem Hintergrund, dass verschiedene Studien auf deutliche Belastungen der pädagogischen Fachkräfte hinweisen – die ja eigentlich Vorbilder im Gesundheitsverhalten sein sollten (Kliche et al., 2008; Viernickel, Nentwig-Gesemann, Nicolai, Schwarz & Zenker, 2013) – müssen bei der Implementation von Präventionsprogrammen Ressourcen und fachliche Unterstützung für die Fachkräfte zur Verfügung stehen, damit die Belastung durch das Programm nicht noch zunimmt. Im Verständnis des Setting-Ansatzes sind außerdem pädagogische Fachkräfte selbst als eine wichtige Akteursgruppe in Institutionen der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung anzusehen, deren Gesundheit und Arbeitsfähigkeit es durch Maßnahmen und Konzepte der Prävention und Gesundheitsförderung abzusichern und zu stärken gilt.

In der Ausbildung von pädagogischen Fachkräften auf Fach- wie auf Hochschulniveau spielt Gesundheitsförderung nur eine marginale Rolle. Sie umfasst weniger als zehn Prozent der Lernziele (Geene et al., 2015). Im Weiterbildungsbereich sind entsprechende Curricula entwickelt worden, wie beispielsweise der Leitfaden zur Gesundheitsförderung im Setting Kindertagesstätte "Gesunde Kita für alle" (Richter-Kornweitz & Altgeld, 2010). Über deren Anwendung bzw. Umsetzung insgesamt existieren jedoch nur wenige Daten – diese sollten systematisch erhoben werden. Auf der Ebene der Inhalte sind traditionell immer noch die Bereiche Ernährung und Bewegung stärker vertreten; hierzu gibt es eine Vielzahl spezifischer Programme und Konzepte. Der Bereich der Förderung der seelischen Gesundheit wird deutlich geringer berücksichtigt (Geene et al., 2015; Gesetzliche Krankenversicherungen & Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, 2016). Hier besteht ein Entwicklungsbedarf in der Umsetzung, wobei entsprechende Konzepte vorliegen (beispielsweise "Kinder Stärken!", Rönnau-Böse, 2013, oder "Papilio", Barquero et al., 2007).

In dem Beitrag von Elvira Mauz, Benjamin Kuntz und Kollegen und -innen des Robert-Koch-Instituts mit dem Thema "Zur gesundheitlichen Lage von Kindern im Kita-Alter in Deutschland: Ergebnisse der KiGGS-Studie" wird anhand ausgewählter Ergebnisse des "Kinder- und Jugendlichen Gesundheits-Surveys" (KiGGS) zunächst ein Überblick über den Gesundheitszustand und das Gesundheitsverhalten von Kindern im Alter bis zu sechs Jahren gegeben. Dabei zeigt sich, dass zwar die Mehrheit der Kinder gesund aufwächst, sich aber in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status der Familien auch deutliche Handlungsbedarfe in den Bereichen Ernährung, Bewegung und psychische Gesundheit nachzeichnen lassen. Es wird auf das "Präventionspotential" der Kindertageseinrichtungen hingewiesen.

Dass sich dieses "Präventionspotential" insbesondere dann entfaltet, wenn Gesundheitsförderung systemisch angelegt und strukturell verankert wird, zeigen Katharina Rauh, Sabrina Döther und Klaus Fröhlich-Gildhoff in ihrem Beitrag "Gesundheitsförderung im Setting Kindertageseinrichtung – eingebettet in die Organisationsentwicklungsprozesse im 'Präventionsnetzwerk Ortenaukreis'". Sie stellen die Ergebnisse eines – mittlerweile in ein nachhaltiges Angebot überführten – Projekts vor, bei dem eine kommunale Gesundheitsförderungsstrategie systematisch mit Interventionen (Weiterbildungen) auf Ebene der Fachkräfteteams in den Settings Kindertageseinrichtung und Grundschule verbunden wurde. Es kam dabei zu konkreten Veränderungen der gesundheitsförderlichen Alltagspraxis in den Einrichtungen; darüber hinaus konnte nachgewiesen werden, dass die Interventionen auch auf der Ebene der Kinder (Verbesserung des psychischen Wohlbefindens) Wirkungen zeigten.

Die von Rieke Hoffer dargestellte Studie "Subjektiver Handlungsbedarf und Maßnahmen aufgrund psychischer Auffälligkeiten im Kindergartenalter. Perspektiven von Eltern und frühpädagogischen Fachkräften" greift einen spezifischen Aspekt der selektiven Prävention auf: Es wurde untersucht, ob Eltern und pädagogische Fachkräfte in Kitas bei Kindern, bei denen mittels eines standardisierten Screening-Instruments psychische Auffälligkeiten festgestellt worden waren, einen Handlungsbedarf sehen und welche Maßnahmen dann eingeleitet werden. Bei einer geringen Übereinstimmung von Eltern und Fachkräften zu Handlungsnotwendigkeiten und auch nur einem geringen Zusammenhang zwischen auffälligen Test-Werten und subjektivem Handlungsbedarf wurden in einem Drittel der Fälle Kontakte zu externen Institutionen angebahnt. Insgesamt zeigt sich die Notwendigkeit einer weiteren Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte in den Kitas zu diesem Thema, eine engere und offenere Zusammenarbeit zwischen Eltern und Fachkräften sowie die Notwendigkeit einer intensiveren Vernetzung von Kitas mit externen Fachkräften, beispielsweise aus Sozialpädiatrischen Zentren oder mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und -innen.

Susanne Viernickel und Holger Weßels richten einen vergleichenden Blick auf die Akteursgruppe der frühpädagogischen Fachkräfte in den Arbeitsfeldern Kindertageseinrichtung und Kindertagespflege. Auf der Basis von zwei Fragebogenstudien werden "charakteristische Arbeitsplatzmerkmale von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen [beschrieben] und analysiert, inwiefern diese Merkmale als Ressourcen oder Belastungen wahrgenommen werden." Dabei zeigt sich, dass beide Gruppen mehr Ressourcen als Belastungen in ihrer Arbeitssituation wahrnehmen. Zugleich werden "settingabhängige Ressourcen- und Belastungsmuster" identifiziert, was darauf verweist, dass gesundheitsförderliche Maßnahmen setting- und zielgruppenspezifisch realisiert werden müssen.

Insgesamt bestätigen die Untersuchungen, dass im Setting Kita einerseits gute Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung und Prävention als auch zur alltagsintegrierten Verschränkung von Bildungs- und Gesundheitsförderung gegeben sind. Andererseits zeigen sich deutliche Entwicklungsbedarfe – von der Qualifizierung der Fachkräfte in diesem Themen- / Bildungsbereich bis zur nötigen Bereitstellung von Ressourcen. Hier bedarf es entsprechender Investitionen; das Präventionsgesetz bietet hier ebenso Möglichkeiten wie das KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz (KiQuTG), in dem ein eigenes, entsprechendes "Handlungsfeld" ausgewiesen ist. Dass dieses Handlungsfeld allerdings in keinem einzigen Bundesland als "Baustein" für zukünftige Qualitätsentwicklungsinvestitionen ausgewählt wurde (vgl. BMFSFJ, 2020), liegt gemäß den Erkenntnissen aus den hier präsentierten Studien wohl weniger am fehlenden Bedarf; es steht zu vermuten, dass von politischer Seite sowohl die Notwendigkeit als auch das Potential von Gesundheitsförderung und Prävention in Institutionen frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung noch deutlich unterschätzt werden.